10th December 2013

Sexarbeiterinnen wollen kein Diktat der Politik

Sex workers oppose political interference

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Seit Alice Schwarzers Feldzug gegen die Prostitution ist diese wieder ein kontroverses Thema. Doch Sexarbeiterinnen wehren sich gegen Bevormundung - von Schwarzer und von Reformpolitikern.

Since Alice Schwarzer initiated her campaign against prostitution, this has become a controversial topic again. Yet sex workers are reacting against paternalism - from Schwarzer and reformist politicians.

Felicitas Schirow ist aufgeregt. Ihre Wangen glänzen so rot wie ihr Abendkleid. Eine so große Veranstaltung hat Berlins bekannteste Prostituierte noch nie moderiert. Die Besitzerin des "Cafés Pssst!" hat selbst am Montagabend in die Berliner Urania eingeladen. Als Reaktion auf eine Veranstaltung von Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hat sie eine Informations-Runde organisiert. Schirow möchte vor allem die Politiker erreichen, die demnächst die in der großen Koalition geplante Reform des Prostitutionsgesetzes im Bundestag beraten.

Felicitas Schirow is agitated. Her cheeks are glowing as red as her dress. Berlins best-known presented has never adressed such a large event before. The proprietor of "Café Pssst" had invited herself to the Berlin Urania on Monday evening. As a reaction to an event by Alice Schwarzer, she had organized an information campaign. Above all, Schirow wants to reach those politicians concerned with the upcoming planned reform of the prostitution laws by the Great Coalition .

Schirow engagiert sich schon länger gegen die Diskriminierung der Sexarbeit. Im Jahre 2000 erreichte die "Café Pssst!"-Betreiberin durch ein Gerichtsurteil, dass die Richter die Prostitution vom Stigma der Sittenwidrigkeit befreiten. Das zuständige Bezirksamt wollte ihr Café damals wegen Förderung der Prostitution schließen. Damit ebnete Schirow auch den Weg für das Prostitutionsgesetz der damaligen rot-grünen Koalition.

Schirow has already been fighting for a long time against the discrimination of sex work. In 2000, the owner of the "Café Pssst!" was able to achieve a court decision such that prostitution was freed from the stigman of being a violation of moral principles. At the time the local authorities wanted to close her cafe on the grounds of promotion of prostitution. By her actions, she cleared the way for the prostitution law of the red-green coalition of the time.

Die vorgesehene Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten lehnt die 56-Jährige als überflüssig und unrealistisch ab; und mit ihr alle acht Experten auf dem Podium, die sich jahrelang mit dem Thema Prostitution beschäftigt haben. Die Sexarbeiterinnen wollen und müssen über die Reform mitbestimmen, sagen fast alle Redner. Die Prostituierte hatte Experten aus Justiz, Polizei und Soziales eingeladen - nachdem sie sich über eine Veranstaltung von Alice Schwarzer stark geärgert hatte. "Schwarzer hat Prostituierte und Freier pauschal diskriminiert und arbeitet mit falschen Zahlen", sagte sie in der vergangenen Woche.

The 56-year old dismisses the intended punishing of clients of forced prostitutes as superfluous and unrealistic; as did all eight experts on the podium who have all dealt with the topic of prostitution for years. The sex workers want and must have a say on the reform, say almost all the speakers. The prostitutes had invited experts from the fields of justice, police and social work - after they had been upset by an actions of Alice Schwarzer. "Schwarzer has made sweeping negative statements about prostitutes and clients and uses false statistics", she said last week.

"Prostitution ist nicht gleich Menschenhandel"

"Prostitution ist nicht gleich Menschenhandel." Diese Aussage zieht sich wie ein roter Faden durch fast alle Reden. Experten wie Zuhörer - darunter auch Freier und Sexarbeiterinnen - erbost vor allem die jüngste Kampagne von Alice Schwarzer, die die Prostitution verbieten will. Mit ihrer durch keine Zahlen gedeckten Aussage, dass 90 Prozent aller Prostituierten Armuts- und Zwangsprostituierte seien, beflügele sie solch platte Gleichstellungen, lautet die Kritik.

"Prostitution does not equal human trafficing"

"Prostitution does not equal human trafficing". This pronouncement runs like a thread through all discussions on the matter. Experts, in common with the audience, are getting wound up primarily by the latest campaign by Alice Schwarzer who wants to ban all prostitution. According to her critics, she inspires such banal comparisons by her prnouncemnts, backed up with no statistical evidence, thet 90% of all prostitutes are only working because of poverty or under duress.

Schwarzer fahre eine "reaktionäre pseudofeministische Kampagne", urteilt die Juristin und Kriminologin Prof. Monika Frommel. Sie warnt vor einem gesellschaftlichen Rollback hinter die Errungenschaften der der sexuellen Befreiung durch die Gleichstellung "Prostituierte - Zwangsprostituierte - Opfer". In dieser Etikettierung schwinge etwas von "unmündig" und "willensschwach" mit, was auch an die unmenschliche Sprache der Nazis erinnere. Die Frauenexpertin der Grünen, Gesine Agena, wirft Schwarzer vor, Männern wie Frauen durch ihre Pauschalisierungen das Selbstbestimmungsrecht abzuerkennen.

Schwarzer is leading a "reactionary pseudo-feminist campaign", believes the lawyer and criminologist Professor Monika Frommel. She warns of a rollback of the acquisition of sexual liberation by the equating of "Prostitutes - Forced Prostitutes - Victim". Such classifications seem somewhat "adolescent" and "dull-minded", bringing also to mind the cruel language of the Nazis. The Green's specialist on women's issues, Gesine Agena, accuses Schwarzer of depriving both men and women of their self-determination by attempting to lump things together like this

Auch Heike Rudat, Leiterin des Dezernats Organisierte Kriminalität beim LKA Berlin, hält nichts von der Gleichstellung von Prostitution und Menschenhandel. Sie berichtet, die Polizei stoße im Umfeld der Prostitution immer wieder auf Opfer von Menschenhandel. "Das Prostitutionsmilieu ist Anziehungspunkt für Kriminalität, das können wir nicht wegleugnen", betont Rudat. 2012 registrierte die Berliner Polizei 365 Verfahren in der sogenannten Rotlicht-Kriminalität, wozu Vergewaltigungen, Körperverletzungen, Menschenhandel oder Diebstähle zählten.

Also Heike Rudat, head of the Department of Organised Crime at the Landeskriminalamt Berlin, doesn't think much of the equating of prostitution with human trafficing. She reports that the police come across again and again the victims of trafficing within the general area of prostitution. "The area of prostitution attracts criminal activity, we can't deny that", stresses Rudat. In 2012, the Berlin Police registered 365 cases of so-called red-light criminal activity, which includes rape, bodily harm, trafficing or theft.

"Halbgares Gericht"

Die Polizistin plädiert wie Frommel für eine Weiterentwicklung des Prostitutionsgesetzes. "Das ist bisher ein halbgares Gericht. Ich fordere eine Konzessionierung der Prostitutionsstätten." Frommel spricht sich für die Einführung des Gewerberechtes aus. Die Gewerbeaufsicht könnte Löhne, Mieten und Arbeitsbedingungen kontrollieren und so die Kriminalität eindämmen. Prostituierte will aufklären

"Half-Baked Legislation"

The policewoman (Rudat), like Frommel is pressing for further modification of the prostitution law. "The law up to now has been half-baked. I am asking for the franchising of prostitution locations." Frommel is supporting the introduction of commercail law into the business. Commercial law could control incomes, rents and working conditions and so curb criminal activity.

Richter Percy Mac Lean, der im Jahr 2000 das Urteil zugunsten Schirows entschied, hält die Bestrafung von Freiern für unrealistisch. Man könne keinem Kunden nachweisen, dass er von einer Zwangsprostituierung gewusst habe. "Strafen führen nur dazu, dass Prostituierte in die Abhängigkeit von Zuhältern gedrückt werden."

The judge Percy Mac Lean, who decided in favor of Schirow in 2000, considers the penalizing of clients to be unrealistic. You could never prove that a client knew of forced prostitution. "Penalties will only lead to the situation where prostitutes are drawn to becoming dependent on pimps."

Die Politiker wüssten vom Geschäft mit der Sexarbeit zu wenige Fakten, wenn sie Gesetze und Verordnungen dazu erlassen, kritisiert Schirow, die seit fast 40 Jahren ihr Geld damit verdient. Doch Politiker sind nur spärlich vertreten unter den mehr als 100 Zuhörern am Montag. Eine Grüne und eine Linke sitzen auf dem Podium, ein Pirat und eine SPD-Politikerin im Publikum.

Politicians knew too little facts about the business when they enact legislation, says Schirow, who has earned her money through it for almost 40 years. But politicians were only thinly represented among the audience of more than 100 on Monday. A Green and a Linke sat on the podium, a Pirate and an SPD politician in the audience.



Felicitas Schirow

Streitbare Expertin

Rotlicht-Expertin: Felicitas Schirow betreibt seit 16 Jahren das Café Pssst! in Wilmersdorf. Es ist ein bordellartiger Betrieb, wie es in der Fachsprache heißt: Prostituierte können dort Kunden treffen und mit ihnen aufs Zimmer gehen. Sie arbeiten auf eigene Rechnung, bezahlen aber Zimmermiete an Felicitas Schirow.

Kämpferin: Bekannt wurde Felicitas Schirow, damals noch Weigmann, im Jahr 2000. Prostitution war noch sittenwidrig, und der Bezirk wollte ihr Café schließen. Schirow erstritt vor dem Verwaltungsgericht eine Konzession. Das Gericht urteilte, Prostitution sei nicht mehr als sittenwidrig anzusehen. Das war ein wichtiger Schritt hin zum Prostitutionsgesetz von 2002.

Militant Expert

Red Light Expert: Felicitas Schirow has run the Café Pssst! in Wilmersdorf for 16 years. In the terminology it is a 'bordellartiger Betrieb' (brothel-like business): prostitutes can meet their clients there and go with them to a separate room. They are self-employed but pay room rent to Felicitas Schirow.

Fighter: Felicitas Schirow, at that time known as Weigmann, became known in 2000. Prostitution was still 'sittenwidrig' (offending against morality), and the Bezirk authorities wanted to close her cafe. Schirow was able to gain concessions before the administration court. The court decided that prostitution was no longer to be considered to be 'sittenwidrig'. That was an important step towards the Prostitution Law of 2002.





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